In Paris werden seltene Mercedes-Modelle versteigert

Mercedes-Benz 600 von 1972

Auktionshaus Artcurial im Mercedes-Benz Centre versteigert seltene Oldtimer

Gut betuchte Mercedes-Liebhaber und Sammler alt-ehrwürdiger Karossen aus 130 Jahren Stuttgart-Untertürkheimer Geschichte sollten im Oktober einen Trip in Richtung der französischen Hauptstadt ins Auge fassen. Dort will das renommierte Auktionshaus Artcurial im Mercedes-Benz Centre (Adresse: 344 Avenue Napoléon Bonaparte in 92500 Rueil-Malmaison), etwa 14 km westlich von Paris, exklusiv rund 40 seltene Oldtimer mit dem Stern unter den Hammer nehmen.

Die Hälfte davon stammt aus der unternehmenseigenen Sammlung von Mercedes-Benz France. Die sechs spektakulärsten Exemplare darunter sollen zusammen zwischen 2,2 Millionen und 3,2 Millionen Euro einbringen. Selbst ein Nachbau des Urahns aller Automobile ist dabei.

Wie viele Ideen, Schweiß und Geld Carl Benz vor mehr als 130 Jahren in sein motorisiertes Dreirad stecken musste, bis er es am 29. Januar 1886 zum Patent anmelden konnte, hat noch kein Historiker aufgeschrieben. Nach Einschätzung von Artcurial soll ein Nachbau des ersten Autos der Welt mit Benzinmotor bei der Versteigerung am 15. Oktober zwischen 50.000 und 80.000 Euro bringen. Vor 15 Jahren hatte Mercedes 100 originalgetreue Replikate des historischen Geräts, mit dem Bertha Benz im August 1888 zusammen mit ihren Söhnen Eugen und Richard heimlich die erste Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim unternommen hatte, für Werbezwecke anfertigen lassen. Eines dieser Exemplare soll nun in Rueil-Malmaison unter den Hammer kommen.

Nur ganz wenigen Autos ist ewige Jugend beschieden. Der Mercedes-Benz 300 SL Coupé ist eins davon und darf auf der Artcurial-Auktion natürlich nicht fehlen. Erstmals zu Gesicht bekamen Interessenten das Auto mit seinen spektakulären Flügeltüren im Februar 1954 auf der „ International Motor Sports Show“ in New York – und seitdem ist er nicht nur eine Ikone des Automobilbaus. 1999 wurde er sogar zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ gewählt. 1400 Exemplare kamen zwischen 1954 und 1957 auf den Markt, der Preis für das Coupé mit Sechszylindermotor, Benzin-Direkteinspritzung, einer Leistung von 158 kW – 215 PS und einem Spitzentempo von knapp 260 km/h betrug 29.000 Mark – damals eine exorbitante Summe. Artcurial schätzt den heutigen Wert des Fahrzeugs aus der Sammlung von Mercedes-Benz France mit dem Baujahr 1955 auf 90. 000 bis 1,3 Millionen Euro ein.

Für ein paar Euro weniger dürfte der 300 SL Roadster aus der gleichen Sammlung mit dem Baujahr 1961 zu haben sein. Bei ihm liegt der Schätzpreis zwischen 800.000 und einer Million Euro. Nachdem in den Vereinigten Staaten die Nachfrage nach einer offenen Variante des 300 SL besonders groß war, gab der Vorstand im Juni 1954 grünes Licht für den Bau von zwei Versuchswagen und einem Vorstellungswagen. Die endgültige Serienversion zeigte das Unternehmen im März 1957 auf dem Genfer Automobilsalon. Bis 1963 entstanden insgesamt 1858 Exemplare des Roadsters, der ab 1958 auch mit Hardtop lieferbar war.

Mercedes-Benz 300 SL Roadster von 1961
Mercedes-Benz 300 SL Roadster von 1961

Zu Beginn der 1950er Jahre war Mercedes-Benz 300 S die Verkaufsbezeichnung einer Baureihe von Coupés und Cabriolets auf Basis des Limousinen-Modells, das als „Adenauer-Mercedes“ in die Geschichte einging. Die intern W 188 genannten zweitürigen Wagen wurden im Oktober 1951 auf der Mondial de l’Automobile in Paris vorgestellt. Sie ermöglichten offen fahren auf besonders elegante Weise. Mit insgesamt 760 produzierten Einheiten ist ein W 188 seltener als der „Flügeltürer“ 300 SL und war über den gesamten Produktionszeitraum hinweg mit 34.500 Mark das teuerste Fahrzeug im damaligen Mercedes-Programm. Bei der Versteigerung in Frankreich beträgt sein Schätzpreis, der zwischen 350.000 und 450.000 Euro liegt, allerdings nur ein Drittel dessen, was für den Flügeltürer 300 SL veranschlagt ist.

Der ehemalige Kaiser von Vietnam, der König von Marokko, Fidel Castro, die Modezarin Coco Chanel oder Elvis Presley, King of Rock’n Roll – irgendwann in ihrem Leben besaßen diese Herrschaften einen Mercedes-Benz 600. Dieses Auto war in den 1960er und 1970er Jahren das Fahrzeug eines kleinen Teils der oberen Zehntausend und das Staats- und Repräsentationsfahrzeug schlechthin. Die Baureihe feierte im September 1963 auf der IAA in Frankfurt Premiere und bot so ziemlich alles, was zu jener Zeit an technischem Fortschritt in einem Automobil technisch machbar war wie zum Beispiel Luftfederung, Automatikgetriebe, Servolenkung und -bremsen. Außerdem verfügte das Auto über eine Klimaanlage, hydraulisch verstellbare Sitze, hydraulische Fensterheber und ein ebenfalls hydraulisch betriebenes Schiebedach. Der Wagen kostete 1964 ab 56.500 Mark und war damit über seine gesamte Bauzeit ein Zuschussgeschäft, das Daimler-Benz vor allem aus Imagegründen betrieb. Artcurial geht davon aus, dass er 2017 bei der Versteigerung einem Sammler zwischen verhältnismäßig bescheidenen 60.000 und 90.000 Euro wert sein dürfte.

Die SL-Baureihe 107, die 1971 als Nachfolger der sogenannten „Pagode“ (Baureihe W 113) auf den Markt kam, begründete mit den Breitband-H4-Scheinwerfern und den großen geriffelten Rückleuchten eine neue Gestaltungslinie bei Mercedes-Benz. Mit seinem V8-Motor leistete der 500 SL 170 kW – 231 PS und war damit ab 1980 das neue Spitzenmodell der SL-Baureihe. Den Erfolg der SL-Baureihe R 107 zeigte die lange Produktionszeit von mehr als 237.000 Exemplaren in 18 Jahren, von 1971 bis 1989. Weltweite Berühmtheit erlangte das Auto nicht zuletzt durch seine Rolle in der US-Fernsehserie Dallas als Fahrzeug der Damen des Ewing-Clans. Das elegante Cabriolet, dass bei der Versteigerung unter den Hammer kommen soll, hat mit Mercedes-Benz France nur einen Vorbesitzer, wurde am 4. Mai 1988 zum ersten Mal zugelassen und hat seither nur rund 70.000 Kilometer zurückgelegt. Sein Schätzpreis liegt zwischen 50.000 und 80.000 Euro. Zum Vergleich: Der Basispreis eines fabrikneuen S 500 Cabriolet von heute liegt bei 140 500 Euro.

Normalerweise stammen Oldtimer bei einer Versteigerung unterschiedlicher Marken aus den Händen privater Sammler und haben oft eine Reihe verschiedener Eigentümer hinter sich. Bei der Artcurial-Auktion im Oktober, die sich ausschließlich um Fahrzeuge mit dem dreizackigen Stern dreht, ist das bei einigen Modellen anders. „Die Gelegenheit, einen klassischen Wagen direkt vom Hersteller zu bekommen, haben Enthusiasten nicht alle Tage“, sagt Matthieu Lamoure, Direktor von Artcurial Motorcars. Die – an britischen oder amerikanischen Maßstäben gemessene – kleine, aber feine Versteigerung dürfte einen Besuch allemal wert sein. (ampnet/hrr)

Bildquelle

  • Mercedes-Benz 300 SL Roadster von 1961: Artcurial
  • Mercedes-Benz 600 von 1972: Artcurial

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